Aus: Wundersame Geschichten für Individualisten, 1972
Herr X ist Buchhalter in einem kleinen Betrieb am Rande der Großstadt Y. Die Arbeit macht ihm Freude, und es verliefe in seinem Leben alles wunderbar, wenn diese Freude nicht durch eine tief eingreifende Erkenntnis getrübt würde. Diese offenbart sich den Lesern als nachstehend beschriebene Fehlertheorie, von der unser Buchhalter unter keinen Umständen ablassen will.
„Der Mensch“, so philosophiert er, „macht viele Fehler zu seinen Lebzeiten, aber er lernt nichts wirklich daraus. Er analysiert sie nicht, um daraus Rückschlüsse für sein künftiges Leben zu ziehen, nein er bewahrt sie bestenfalls in seinem Herzen, um andere davor zu bewahren.“
Es kann vorkommen, dass der eine oder andere Fehler nicht mit voller Absicht begangen wurde. Über diese Fehler ärgert sich Herr X am meisten.
Da gibt es die Professionals, die Berufsfehlermacher und andererseits die Liebhaber, Hobbyisten, Idealisten und Individualisten. Sie sind in der Mehrzahl Amateure. Wenn sie Fehler machen, dann tun sie das umsonst!
Zur Gattung der Professionellen gehören u.a. Mitarbeiter der städtischen und überregionalen Straßenplanungsämter. Sie werden für das Fehlermachen nach dem BAT bezahlt. Auch die Politiker müssen als Professionals eingestuft werden.
Es gibt gute und schlechte Fehler, je nachdem, wer davon betroffen ist. Die Beamten können ein Lied davon singen, denn sie haben sich in diesen Fehlern eingenistet und bewahren sie mit Herz, Seele und Gehalt.
Die Fehlermacherei soll demnächst als Studienfach zugelassen werden – sechs Semester!
Man hat erkannt, dass es sich um ein wissenschaftliches Randgebiet handelt, das ausgebaut werden muss. Bei der Rechtsprechung gelangen Fehler als Tenor (oder Sopran) in die Straf- oder Zivilprozessakten und wiederum lebt ein ganzer Berufszweig davon.
Den Kraftfahrern/Innen werden die späteren Fehler dank ausgeklügelter Verkehrsvorschriften gleich bei der Aushändigung des Führerscheines mit auf den Weg gegeben. Um das auszuschöpfen, wurde der Bußgeldkatalog erfunden. Das hat den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, Nutzen in Form harter Währung daraus zu ziehen.
So ist es den Behörden möglich, einladende Freiflächen anzulegen und damit die Autofahrer anzulocken, um die Fläche hinterlistig mit Parkverbotsschildern zu umsäumen, so dass die gestressten Autofahrer nur allzu bereitwillig in die aufgestellten Fallen tappen. Wieder ist ein neuer Berufszweig entstanden: die Hostessen.
Da sind die großen und die kleinen Fehler: kleine lassen sich ausbügeln, bevor der Chef etwas merkt. Werden sie doch vom Chef oder Abteilungsleiter vorzeitig aufgedeckt, werden aus den kleinen Fehlern große. Die größten Fehler, die in der Geschichte bekannt geworden sind, haben Millionen Menschen den Kopf gekostet und nicht nur den eigenen, sondern auch den der anderen.
Es soll auch richtige und falsche Fehler geben, z.B. beim Abschreiben während Klassenarbeiten in der Schule.
Ein schöner Fehler liegt dann vor, wenn das Finanzamt besch… wurde. Muss ein Bürger nachzahlen, nennen wir das „einen hässlichen Fehler“.
Dann sind da noch die absurden und die farbigen Fehler. Als absurd sind jene zu bezeichnen, die andere machen. Farbige Fehler finden wir auf schlechten Gemälden ,z.B. wenn die Perspektiven falsch dargestellt sind.
Praktische und theoretische Fehler kommen bei der Führerscheinprüfung vor. Noch etwas über aktive und passive Fehler: Aktive Fehler begeht man, passive passieren einem.
Die einzelnen Fehlergattungen treten häufig in Kombinationen auf und sind nur schwer zu analysieren. Da gibt es die aktiven farbigen Fehler (Herr X besucht regelmäßig Kunstausstellungen ), die hässlichen theoretischen, die absichtlichen großen und die kleinen absurden Fehler.
Der Laie hat es in der Tat sehr schwer, die originellen Fehler am richtigen Ort anzubringen. Deshalb wirken so viele Fehler irgendwie stümperhaft.